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Samstag, 7. Oktober 2017

Hausarztgeflüster Teil 1

 Selbstverständlich hat jeder Mensch zumindest hier in Deutschland das Recht auf einen Hausarzt und medizinische Grundversorgung.
So steht es im Gesetz.
Begonnen hat alles vor vier Jahren.
Aber der Reihe nach.
Wie ich hier in diese dörfliche Gegend gezogen bin, habe ich mich wie ganz selbstverständlich in der näheren Umgebung nach einer Hausärztin umgesehen.
Bei der Suche musste ich fest stellen, dass Hausärzte nicht wie Pilze aus dem Boden sprießen, sondern eher rar gesät sind und man sich nicht immer aussuchen kann, zu wem man gerät.
Im Ort selbst: Fehlanzeige. 
Er besteht auch nur aus etwas mehr als achtzig Einwohnern und der Leser wird sich fragen: Was hat dort eine Arztpraxis zu suchen?
Einen Ort weiter gibt es eine Hausarztpraxis. Dort habe ich mich zunächst angemeldet. Die Sprechstundenhilfe oder medizinische Fachangestellte empfing mich freundlich, die zu wartende Zeit verkürzte ich mir mit der Wartezimmer Lektüre. Es erschien keine Ärztin, so wie es mir vorgeschwebt und ich mir ausgemalt hatte, sondern ein Arzt etwas hagerer Gestalt, mittleren Alters, behäbig und scheinbar selbst krank, mit etwas gebückter Haltung aus dem Sprechzimmer. Seine Haut schien fahl, der Gesichtsausdruck etwas leer und aufgebraucht.  
Die Kleidung bestand aus einem dunkelblauen Pulli, an dessen Ärmel Fäden hingen und einer Jeans, die auch schon bessere Zeiten gesehen haben mochte und Turnschuhen einfacher Natur. Insgesamt war die gesamte Erscheinung abgetragen und machte einen ziemlich schleppenden Eindruck.
Mein Name wurde aufgerufen und folgte ihm in das Sprechzimmer.
Er bot mir einen Platzan und dann folgte der recht überschwänglich formulierte Satz: "Was kann ich für Sie tun?" während er sich in den Schreibtischstuhl fallen lies und dieser ruckartig nach hinten schnellte.
Es nicht verwunderlich gewesen, wenn der Stuhl ganz nach hinten gekippt wäre. Dieser Gedanke amüsierte mich.
Seine fahlen Hände waren vor seinem fast nicht vorhandenen Bauch gefaltet, fast wie bei einem Gebet in der Kirche. Ich konnte meinen Blick kaum von dort abwenden und begann nachzudenken. Ein Moment der gegenseitigen Schweigsamkeit entstand.
Ich wurde das Gefühl nicht los, das mein neuer Hausarzt diese Pause zum Erholen und Luft schnappen benötigte. Zumindest stellte er vorerst keine Fragen.
Ja dachte ich, was kann ER für mich tun? Insgeheim grübelte ich, was ICH für IHN tun könnte, schließlich hatte ich die Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten hinter mir gelassen und verfügte mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung als leitende Angestellte einer pneumologischen Praxis.
Ich fühlte mich relativ gesund, mir fehlte auch nichts, ich wollte mich eigentlich nur vorstellen, das Übliche.
Denn ein Sprichwort sagt:" Suche einen Arzt, wenn Du gesund bist"
(Ist wohl etwas Wahres daran, wie sich später noch herausstellen sollte...)
Ich teilte ihm das nach der Denkpause freundlich mit, und wurde zunächst erst einmal in ein Gespräch verwickelt.
Es folgte ein Frage- und Antwortspiel in dem er mir Fragen stellte und ich antwortete.
Nach etwa drei Durchgängen fragte ich mich insgeheim, warum er nach beruflichem Werdegang, Grund des Zuzuges in diese Gegend und dergleichen Interesse zeigte. Sollte das jetzt eine"Ganzheitliche" Untersuchung werden, oder was hatte mich zu erwarten?
Ich schien vielleicht abwesend und die Wahrheit war, dass ich auf dieses Katz- und Mausspiel keinerlei Lust mehr verspürte.
Plötzlich wurde ich von folgendem Satz aus meinen Gedanken gerissen:  " Ja, wenn Sie etwas brauchen oder Ihnen etwas fehlt, dann wissen Sie ja , wo Sie mich finden"...
Grübelnd verließ ich die Praxis und auch in meinem neuen Zuhause wurde ich das Gefühl des Nachdenkens über diese Begegnung nicht wirklich los. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass dieser Mensch eigentlich eher ärztliche Hilfe gebrauchen konnte.
Das ist jetzt wie schon gesagt vier Jahre her, er praktiziert wohl immer noch, in der Zwischenzeit ist viel passiert.
Doch dazu später...

© Susann Krumpen


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