Neugierig? Na dann mal los!

Montag, 10. Mai 2021

Muttertag, Tochtertag, Enkeltag Corona Test...

Freitag früh. Es regnet es und ich habe es eilig. Kaum aus den Federn putze ich fast nebenbei meine Zähne, Wasche in Windeseile mein Gesicht. Ich bin spät dran. In ein paar Minuten muss ich zum Corona Test. Der Test Bus steht im Nachbarort auf dem Edeka Parkplatz, musste es ausgerechnet jetzt regnen! Ich ziehe mich an und stolpere ohne Frühstück los. Scheißwetter! Unterwegs kaum jemand auf der Straße. Dort angekommen, biege ich auf den Edeka Parkplatz ein und es stehen wenig Autos dort. Wer will bei dem Wetter schon einkaufen, denke ich. Es hat etwas Gutes, denn ich kann mein Auto so parken, dass ich das Geschehen um den Test Bus beobachte und warte. Im Auto. Regentropfen klatschen an die Autoscheibe, sie beschlägt von Innen. Ich hasse das Gefühl, wenn man nichts sehen kann und öffne die Scheibe auf der Fahrer Seite, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen. Es regnet rein. Wie blöd! Scheibe wieder runter und Frust macht sich in mir breit. Warum? Denke ich bist du eigentlich jetzt hier? Lohnt sich der Test überhaupt? Doch ich warte. Ich sehe Leute kommen, sie klopfen an die geschlossene Bus Tür, diese öffnet sich und ich sehe, wie sie Unterlagen abgeben und die Tür dann wieder geschlossen wird. In mir kocht es förmlich! Blöde Drängler! Denke ich und öffne die Autotür, um auszusteigen. Umständlich fummele ich mir die Maske vor das Gesicht, suche die ausgefüllten Formulare vom Beifahrersitz , meinen Personalausweis und knalle die Autotür zu. Es regnet immer noch, in der einen Hand meine Unterlagen, in der anderen der Autoschlüssel und meine Tasche. Oh man! denke ich, was für ein blöder Umstand. Ich schlängele mich durch die Autoreihe , bis ich vor dem Test Bus stehe, in dem Augenblick öffnet die Tür, der Fahrer muss mich wohl gesehen haben. Er nimmt mir wortlos die Unterlagen ab, die Tür schließt automatisch, ich stehe im Regen. Regentropfen laufen von meinen nassen Haaren in das Gesicht. Keinen Schirm, hämmert es mir durch den Kopf. Neben dem Bus steht ein Sonnenschirm von der Krankenkasse mit einem kleinen Tisch und Kugelschreiber. Zwei Leute stehen dort dicht gedrängt, ich schiele dorthin und überlege, ob ich mich dazu stellen sollte? Ambivalente Gefühle machen sich in mir breit. Alle tragen Mundschutz, deshalb stelle ich mich einfach dazu. Die Blicke treffen mich, ich mustere und schiebe den Gedanken an die Seite.... 

Montag, 3. Mai 2021

Hausarztgeflüster - Gedankenkarussell zu Coronazeiten

 Wie ich in den vorigen Posts schon geschrieben hatte, stellte sich heraus, dass die Suche nach einem für mich geeignetem Hausarzt oder Hausärztin sich als äußerst zäh und schwierig gestaltete. In meinem früheren Leben als Arzthelferin in leitender Stellung war das überhaupt kein Problem, die Türen waren offen und ich hatte immer das Gefühl, schon von Weitem herein gewunken zu werden.

Der rote Teppich für Insider - quasi VIP Lounge. Jetzt, wo ich unter "ferner liefen" gelte, bin ich nur eine Nummer, die oft nicht einmal leuchtet. Einen bleibenden Eindruck hinterlasse ich sicher nicht, da mich schwerwiegende Erkrankungen und Gebrechen zum Glück (noch) nicht heim gesucht haben. Immer öfter bin ich ziemlich dankbar dafür. Trotzdem bin ich ein Mensch mit Bedürfnissen und ich habe gerade jetzt in der "Corona Zeit" den Eindruck, dass die Ärzte und Angestellten gleichermaßen froh sind, wenn der Patient die Praxis wieder verlässt. Da hatte ich neulich so ein Erlebnis, welches ich hier einmal näher schildern möchte: 

Die Tage sind nicht immer gleich, auch bei mir gibt es hin und wieder mal ein Tief und ich habe den Eindruck, dass ich permanent in alle bereit gestellten Fettnäpfchen trete und auch sonst keine Gelegenheit auslasse, um Erlebtes in einem möglichst noch negativerem Licht erscheinen zu lassen. Dinge, die mir an anderen Tagen nicht auffallen würden, stören plötzlich immens, der Leser kennt das sicher zur Genüge. Heute war jedenfalls so ein Tag, an dem ich "nah am Wasser gebaut" war, wie man zu sagen pflegt. Jede Kleinigkeit störte mich und Tränen gab es im Überfluss. Einen Grund konnte ich nicht erkennen. Und ja, ich bin in den Wechseljahren! In meiner Verzweiflung beschloss ich, meine neue Hausärztin anzurufen und um einen Termin zu bitten. Am anderen Ende der Leitung teilte man mir mit, dass es im Moment günstig wäre, ich solle mich gleich auf den Weg machen. Ich zögerte, entschloss mich aber, gleich zu fahren, Mittags schloss die Sprechstunde, es war bereits 11:00 Uhr. Ich fuhr los. Eine halbe Stunde später angekommen bekam ich sogar einen Parkplatz vor dem Ärztehaus. Gemeinschaftspraxis. Einige wenige Patienten tummelten sich im Eingangs Bereich, die Hoffnung, schnell dran zu kommen erfüllte sich prompt. Kaum, das meine Chipkarte eingelesen worden war, konnte ich sogleich in das Behandlungszimmer. Die Tür wurde hinter mir geschlossen. Ich begann zu überlegen, was der Grund meines Besuches sein konnte. Was sollte ich sagen, wie sollte ich mich verhalten? Ich hatte keinen Plan, was nun auf mich zu kommen würde. So direkte sichtbare Beschwerden hatte ich nicht, dachte ich zumindest. Die Gesichtsmaske machte das Atmen fast unmöglich, zu allem Überfluss beschlug meine Brille. Magenbeschwerden und leichte Übelkeit machten sich in mir breit, mir war ziemlich mulmig. Wann hatte ich das letzte Mal etwas gegessen? Mag es heut früh gegen halb acht gewesen sein. "Sollte ich einfach gehen?" Noch war die Gelegenheit günstig, doch in diesem Moment trällerte ein fröhliches "guten Morgen" durch den Raum, ich fuhr etwas zusammen, das Öffnen der Türe hatte ich nicht mitbekommen. Etwas erschrocken stammelte ich "Morgen", mehr bekam ich nicht zusammen. Die Hausärztin ließ sich in den Schreibtischsessel fallen, der federte ein paar Mal zurück. Ich entnahm ihrem Gesicht einen forschenden Blick und gleichzeitig eine endlose Müdigkeit. Dann die Frage, was mir denn fehle. Ich wollte reden, wollte ihr erklären, warum ich hier sei, wusste aber nicht, was ich sagen sollte, suchte krampfhaft nach Worten, die mein Dasein in der Praxis und die Berechtigung, Patientin zu sein unterstreichen sollte, aber ich schwieg. Schwieg ins Leere. Das Kloßgefühl im Hals nahm mir die Luft, mein Kopf war eine einzige Achterbahn, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, ich verlor den Kampf und plötzlich rollten die ersten Tränen über mein Gesicht und genau in diesem Augenblich meinte die Hausärztin "Sie sehen ja fertig aus! Was ist denn mit Ihnen los?" Ich antwortete nicht, konnte nicht antworten, Tränen liefen über mein Gesicht und wurden zu Wasserfällen, meine Nase lief und ich nestelte in meiner Jackentasche umständlich nach einem Taschentuch. Durch meinen Kopf flogen Gedankenfetzen, einen klaren Satz bekam ich nicht mehr zusammen. Die Nerven lagen blank. Die Ärztin redete auf mich ein, ich verstand nur lückenhaft was sie sagte, musste nun dringend meine Nase putzen, weil der ganze Rotz schon gefühlt in die Atemmaske lief. Es ekelte mich an. Ich zog die Atemmaske einseitig ab und schnäuzte in das Taschentuch. In dem Moment sprang meine Hausärztin ruckartig auf, so dass der Stuhl, auf dem sie saß fast nach hinten geflogen wäre, hastete an das Fenster und öffnete es mit einem Ruck. Geräuschvoll. Ich erschrak. Vielmehr traf mich ein strafender Blick von ihr. Sie sprach während dessen kein Wort. Peinliche Stille, bis ich die Atemmaske wieder hoch ziehen und die Schlaufe hinter das Ohr gefummelt bekam.

Als die Atemmaske wieder vorschriftsmäßig saß, redete sie weiter, als wäre nichts passiert und ich versank noch tiefer in meine ziemlich emotional misslich Lage. Hörte am Rande etwas von Therapie und Depressionen, folgen konnte ich schon lange nicht mehr. Ich ließ es geschehen.

Am Ende überreichte sie mir einen Überweisungsschein und meinte: "Viel Glück und alles Gute für Sie" und dann war sie auch schon wieder weg. Als hätte die Begegnung nie statt gefunden. Den Überweisungsschein in der Hand stolperte ich unbeholfen aus der Praxis, draußen auf der Straße zog ich endlich die Atemmaske vom Gesicht und fühlte Kühle, unendliche Kühle, die mein Gesicht berührte. Endlich wieder fei atmen können! Ich sog die kalte Luft tief in mich hinein, das Kloßgefühl hatte sich schlagartig aufgelöst und genoss das großartige Gefühl von frischer Luft. Es roch nach Freiheit. Endlich raus! hämmerte es in meinem Kopf, ich wollte nur noch los und mit schnellen Schritten lief ich zu meinem Auto, riss die Fahrertür auf und ließ mich in den Autositz fallen. Ein flüchtiges, kaum merkbares Lächeln flog über mein Gesicht. Sekundenschnell. Den Überweisungsschein verstaute ich für das Erste tief im Handschuhfach, ohne einen einzigen Blick darauf zu werfen. Nur ein Stück Papier, dachte ich, es war mir scheißegal, was darauf stand! Ich bekam endlich wieder Luft, es ging mir schlagartig besser.

Ich fuhr nach Hause, die Gedanken sortierten sich und ich fühlte mich erleichtert und wie irgendwie frei. Eine Frage beschäftigte mich unterwegs dann doch noch: Ob sie unter ihrer Atemmaske Lippenstift trägt?...


© Susann Krumpen

Sonntag, 2. Mai 2021

Lipödem - das musste mal raus...

Die meisten Frauen auf dieser Welt wissen, wovon hier geschrieben wird. Betroffen sind viele, manche wissen es vielleicht nicht und andere gehen einen langen Weg bis zur Diagnose und Therapie. Manchmal vergehen Jahrzehnte. Und immer wieder die quälende Frage: Ob man selbst Schuld ist, an dem Lipödem? Ich sage ganz klar: NEIN! Ganz entschieden. Immer wieder höre ich von Ärzten, dass eine Gewichtsabnahme doch hilfreich wäre, oder die Hormonumstellung ein Faktor. Doch bei aller Liebe und Hingabe, ich bin eine Frau, die mit zwei Beinen im Leben steht. Und genau dort ist mein Ansatz. Was habe ich nicht schon alles versucht! Sport, Gewichtsabnahme, Ernährungsumstellung, Vitamine und Nahrungsergänzung, Kompressionswäsche, Schröpfen, Bürstenmassage und und und. Jede, die das hier liest, kennt die Litanei. Leute, es ist eine Erkrankung! Wohin soll der Sarkasmus gehen? Raucher werden auch behandelt. Also bitte schön. Und neulich musste ich mir vom Phlebologen sagen lassen "Was für schöne schlanke Beine!" Ich habe mich geschämt, den Termin überhaupt wahr genommen zu haben. Aber: muss das sein? Immerhin hat er mir ein Lipödem II bescheinigt. Rein diagnostisch natürlich. Ich frage mich allerdings, wie oft man noch dem Gespött und Demütigungen von Ärzten und Ärztinnen ausgesetzt sein soll! Und warum die Krankenkassen so tun, als wäre man gar nicht krank. Wäre es nicht gerecht, die Lebensqualität der Frauen wieder herzustellen, wo sie es doch sind, die einen tollen, großen Beitrag für die Gesellschaft leisten? ... 

© Susann Krumpen

Impftermin? Nein danke!

Alle Welt ist in Aufruhr. Impftermine gegen das Corona Virus sind derzeit rar gesät. Um einen regulären Impftermin zu bekommen muss man lange Wege gehen, rein virtuell, meine ich. Schon jetzt spüre ich reine Phantomschmerzen in meinem rechten Arm, obwohl ich noch gar nicht geimpft worden bin und außerdem würde ich immer den linken Arm bevorzugen, selbst, wenn dieser nach der Impfung abfallen sollte. Dann habe ich immer noch den Rechten, um mir die Zähne putzen zu können.

Wer mich kennt, der würde sagen: "Was für ein Sarkasmus" wie Wahr, wie wahr! Kann ich nur zustimmen. Also die Impfodyssee wird den Leser interessieren, vor allen Dingen die recht ambivalenten Gedanken dazu. Ich versuche mich im Impfportal anzumelden, Fehlanzeige. Tag für Tag, manchmal auch zweimal. Schließlich will ich nichts verpassen!  Ja, jeden verdammten Tag stürze ich früh an meinen Rechner, checke die Mails und versuche eine Anmeldung aufs Neue und stelle jeden Tag fest, dass es für meine Altersgruppe noch gar keine Möglichkeit gibt, sich impfen zu lassen. Also recherchiere ich, wie es möglich wäre, schneller an einen Impftermin zu kommen. "Du verdammter Impfdrängler!" dröhnt es in meinem Kopf. Ich versuche den Gedanken im Meer zu versenken, ach Mensch, Urlaub habe ich seit gefühlt hundert Jahren auch nicht mehr gehabt. Was tun? Guter Rat ist teuer. Und ich lese von Leuten, die mit Formularen vor den Häusern fremder, älterer Menschen stehen, Menschen, die möglicherweise eine Pflegestufe haben könnten, zu fragen, zu bitten und zu flehen, um die Formulare auszufüllen. Ich kann förmlich die Tränen spüren, die Schreie hören. Mein Kopf raucht. Ich kann meine Gedanken knistern hören. Kenne ich nicht jemand solchen? Na klar! Meine Nachbarn. Seit Corona immer an der Tür abgefertigt, immer mit Maske, Abstand und leicht unterkühlt. Schön ist anders. Früher hat sich das Verhältnis herzlich angefühlt, irgendwie anders. Immer ein paar nette Worte, etwas Zeit. Im Moment scheint alles anders. Kurze Worte, Abstand und Maske. Fast das ganze Gesicht ist verdeckt, wegen der Brille und Frisur kann man fast keine Augen mehr erkennen, wie soll man den nur fest stellen, mit WEM man es noch zu tun hat? 

Alt sind sie inzwischen geworden "Er" geht auf die 90 zu. Und dann plötzlich der Gedanke: Haben die Beiden nicht eine Pflegestufe? In meinem Kopf rattert es nur so. Gefühlt schnellt der Impftermin zum Greifen nah heran. Mein Atem geht schneller, mein Blutdruck erwacht, ich selbst laufe in Hochform auf. Dann plötzlich: Ist das, was ich vorhabe schon kriminell?? Bin ich ein egoistisches Schwein? Ich beruhige mich selbst. Andere, sage ich mir, machen es ja ebenso. Ich lese in den Medien und versuche mich zu beruhigen. Fehlanzeige. Mein Puls rast. Sollte ich wirklich...? 

Ich lese und lese, bleibe in einem Bericht hängen, in dem über das Impftempo geschrieben wird. Eine Frau, vermutlich mittleren Alters schreibt, dass sie froh ist, dass sich immer mehr Menschen zu einer Impfung entscheiden können und sie schreibt weiter, dass mit jedem Tag, der Weg zur Impfung für sie gefühlt ein bisschen kürzer wird.

Mein Herz pocht und ich fühle so etwas wie Scham und doch bin ich erleichtert, eine Lösung für mich gefunden zu haben. Auch wenn ich in Zukunft jeden Morgen meine Mails checken und ich mich versuchen werde, weiterhin (vergeblich) im impfzentrum anmelden zu wollen....

© Susann Krumpen